So nicht: Kürzungen

Ruanda: Fahren am Limit

Die Piste ist eine Schlammschlacht. Der Toyota schlingert, rutscht, kracht. Baumstämme kommen bedrohlich nah. Projektleiter Tom reißt das Steuer herum – gerade noch mal gut gegangen.
„Warum habt ihr keinen Geländewagen?“, frage ich.
„Kein Geld!“, knurrt er.

Die Stoßdämpfer? „Am Arsch.“
Das Budget für Wartung? „Null.“
Jede Schlaglochfahrt wird zur Tortur – und zum Symbol: Internationale Zusammenarbeit soll angeblich immer wichtiger werden. In Wirklichkeit fahren Projekte wie dieser Toyota: auf der Felge, ohne Puffer.


Jamaika: Die leeren Werkstätten

Unser Team kämpft seit Jahren für bessere Berufsbildung. Werkstätten wurden eingerichtet, Lehrpläne modernisiert, Frauen und Menschen mit Behinderungen stärker einbezogen.

Dann der Besuch eines Staatssekretärs.
„Wo sind die Maschinen?“, fragt er und blickt in einen leeren Raum.
„Beantragt, aber nie genehmigt“, sagen wir.
„WAS?“ Er brüllt, telefoniert – und plötzlich geht es doch.

Die Realität: Deutschlands Entwicklungsministerium kürzt 2025 den Etat um fast eine Milliarde Euro. Real, mit Inflation, sind es über zehn Prozent. Die wichtige Plaungssicherheit für beantragte neue Projekte geht gegen Null. Partner schütteln den Kopf und wenden sich immer mehr ab.


Nigeria: Arbeiten ohne Schreibtisch

Joan, Top-Expertin für lokale Wirtschaftsentwicklung, sitzt bei unserem Treffen auf dem Boden. Laptop auf einer Umzugskiste.
„Keine Büroausstattung bewilligt“, sagt sie. Ein Schreibtisch hätte gereicht. Ihr letzter Antrag? Abgelehnt.
Wenig später kündigt sie.
Das Projekt? Gelähmt.
Die Kosten? Viel höher als ein Schreibtisch.

Währenddessen fällt der deutsche Entwicklungsetat auf ein Zehnjahrestief: 9,9 Milliarden Euro – fast 30 Prozent weniger als 2022. Besonders brutal trifft es die humanitäre Hilfe: minus 60 Prozent seit 2022. Eine Milliarde Euro für 2026 – bei 300 Millionen Menschen weltweit, die auf Hilfe angewiesen sind.


Die Spirale nach unten

Hilfswerke schlagen Alarm: Brot für die Welt, Caritas, Diakonie, Misereor, Terre des Hommes.
Kinder in den ärmsten Regionen verlieren Schutz, Bildung, Zukunft. Alte in ausgedörrten Landstrichen verhungern. Binnenflüchtlinge überfluten Metropolen, wo Arbeits- und Wohnungsmärkte längst kollabiert sind. Kriminalität und Terror wachsen.

Und Deutschland? Zieht sich zurück.
Statt Investitionen: Kürzungen.
Statt Handeln: Sonntagsreden.
Statt Zukunft: Sprachblasen.


Die Uhr tickt.
Immer mehr Felder vertrocknen.
Immer mehr Menschen fliehen.
Immer mehr Projekte brechen zusammen.

Die internationale Zusammenarbeit fährt – wie der Toyota in Ruanda – geradewegs ins Schlagloch.

Kommentare

2 Antworten zu „So nicht: Kürzungen“

  1. Yannick

    Uff, ganz schön bedrohlich. Aber ein sehr reales Bild dessen was einen Sozialstaat ausmacht und was es eben auch ausmacht wenn dieser das „Sozial“ gerade nicht ganz so genau nehmen will…

  2. Genau! Zudem ist es auch realpolitisch kurzsichtig und irrational: Die sich verschärfenden Probleme in der sogenannten dritten Welt werden wir hier zu spüren bekommen. Durch noch größere Flüchtlingsströme, steigende Kriminalität (u.a. Entführungen in Urlaubsländern) und zunehmender Radikalisierung von Jugendlichen, die nur noch in islamistischen oder anderen Terrorgruppen eine Zukunft sehen.

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