„Was, du verlässt uns?“, frage ich Ahmad entsetzt.
Er nickt. Und wie immer umspielt ein feines Lächeln seine Lippen. Zwei Jahre haben wir in der nigrischen Industrie- und Handelskammer zusammengearbeitet. Als Tuareg hatte Ahmad nicht immer einen leichten Stand in der Organisation gehabt. Er musste mehr arbeiten, exzellente Arbeit vorweisen und allen Fettnäpfchen aus dem Weg gehen. All dies war ihm stets gelungen.
„Ich gehe zu den Vereinten Nationen“, meint er. Ein wenig Stolz ist in seiner Stimme zu hören.
„Wow!“, meine ich. Die Vereinten Nationen haben sehr strenge Auswahlkriterien. Sie nehmen nur hochqualifizierte Fachkräfte. Wer es aber durch die aufwendigen Assessment-Center schafft, kann sich über ein sehr ordentliches Gehalt und attraktive Zulagen freuen.
„Wir hätten dich hier noch gut gebrauchen können“, wende ich ein. Ahmad war mir von allen Kammermitarbeitern am nächsten gewesen. Wann immer ich Ratschläge für den Aufbau der neuen Abteilung für Kleinstunternehmer gebraucht hatte, war er mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
„Ich weiß. Aber ich muss an meine Familie denken. Du weißt schon …“, antwortet er und nennt mir leise sein Einstiegsgehalt. Es ist höher als die Besoldung des Generalsekretärs der Kammer.
Anmerkung des Autors
Schon im Studium hatte ich vom sogenannten Brain-Drain gehört. Er bezeichnet den Abfluss hochqualifizierter und gut ausgebildeter Fachkräfte, Wissenschaftler, Ärzte, Ingenieure oder Akademiker aus einem Land, einer Region oder einem Sektor in ein anderes Land oder eine andere Region. Dieser Abzug führt oft zu einem Mangel an Fachwissen und Expertise im Herkunftsland und kann die wirtschaftliche, soziale und wissenschaftliche Entwicklung erheblich beeinträchtigen.
Diesem Phänomen bin ich wieder begegnet. In Verwaltungen führt Brain-Drain zu hoher Fluktuation. Gute Fachkräfte nutzen den Job in einer öffentlichen Verwaltung nur, bis ein besseres Angebot in Sicht kommt. Wichtige Posten sind oft verwaist oder sie werden von nicht ausreichend qualifizierten Hilfskräften eingenommen.
Es gibt aber auch Gegenbeispiele: Der Leiter der Verwaltungsabteilung der Kammer in Niger hatte zum Beispiel seinen Abschluss bei der ENA, einer Elitefachschule in Paris, mit Auszeichnung gemacht. Er hätte in jeder Organisation in Top-Jobs arbeiten können.
„Ich will meinem Land dienen“, meinte er, als ich ihn nach den Gründen hierfür fragte.
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