Kolbenstecker im Urwald

(Teil 1 der Erzählungen über den Besuch eines Agrarforschungsprojekts in Kakamega Forest, einem Regenwald im Westen Kenias).

Der Bus kracht in eine Spurrille. Schlamm spritzt hoch, klatscht gegen die Scheiben. Kaum hat die alte Rostlaube ein Loch überwunden, schlittern wir schon ins nächste. Ich klammere mich an den Griff über mir; die beleibte Kenianerin neben mir murmelt Gebete.

Plötzlich – ein metallisches Kreischen, infernalisch laut! Vor Schreck halte ich mir die Ohren zu, verliere das Gleichgewicht. Der warme Bauch meiner Nachbarin fängt mich auf.
„So sorry!“
„It’s okay!“, sagt sie und schenkt mir ein Sekundenlächeln.

Rauchschwaden steigen auf. Ein Schlag erschüttert den Bus. Und noch einer. Der Motor stirbt, wir rollen aus – bleiben mit einem letzten ächzenden Seufzer stehen. Mitten im Regenwald. Die nächste Stadt: eine halbe Ewigkeit entfernt.

Der Fahrer springt hinaus, reißt die Motorhaube auf, verbrennt sich die Finger, flucht, greift nach einem Lappen und schraubt die Verschlusskappe des Kühlers ab. Weiß zischender Dampf mischt sich mit dunklem Rauch.

„Mjinga wewe! – Du Idiot!“, brüllt meine Sitznachbarin, springt aus dem Bus und überschüttet den Fahrer mit Flüchen.
„Umeshindwa! Versager!“, ruft ein weiterer Fahrgast. Man wirft ihm vor, das Geld fürs Motoröl eingesteckt zu haben – jetzt solle er den Fahrpreis zurückzahlen.

Meine Ohren klingeln, die Nerven sind weichgeklopft. Ich schnappe mir den Rucksack und stapfe durch die Pfützen auf eine Lichtung zu. Hinter mir prallen Schimpfkanonaden und Rechtfertigungen aufeinander – wie ein Küchenmesser gegen ein Meer aus Säbeln.

Ich breite die Landkarte auf den Knien aus: zweimal längs, fünfmal quer. Hier – wenn ich diesem Pfad folge, müsste ich nach ein paar Meilen das Kakamega-Forsthaus erreichen. Schlicht, aber sauber, heißt es im Reiseführer.

Also los. Hinein ins üppige Grün, immer der rötlich-braunen Linie entlang, die sich wie ein Riesenwurm durch den Urwald windet. Der Regen fällt waagrecht, mikroskopisch kleine Tropfen benetzen meine Jacke. Unter den Schuhen pitscht es; Schwüldampf kriecht durch Knopfleisten und Hosenbünde, verbündet sich mit meinem Schweiß. Meine Ohren zählen die Tropfentreffer.

Bald verliert sich der Pfad im saftigen Allesgrün. Über mir bricht Baumdachstreit aus, Affengezanke hallt durch die Zweige. Unsichtbare Streithähne, schwingende Äste, eine tanzende Geräuschspur.

„Geht es da lang?“, frage ich einen Gelbschnabel-Angeber.
„RA-YA-WA! – Vielleicht“, ruft er und stiebt mit klatschendem Flügelschlag davon.

Sophia Loren streckt mir ihre Blütenblätter entgegen – ein gelb-rotes Feuerwerk, ihr Duft könnte Galaxien locken.
„Ist das der richtige Weg?“, frage ich sie.
„Kann sein“, flüstert sie und verschenkt sich weiter.

Meine Arme scheuern an den Riemen des Rucksacks. Der Klang meiner Schritte mischt sich mit den Schreien tropischer Vögel. Weiter. Einfach nur weiter.

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