Expect the unexpected – erwarte das Unerwartete

“Nigrische Aministration, ich kenne dir” würde ein Berliner nach drei Jahren vor Ort sagen. Und damit eine gewisse Langsamkeit ansprechen, die der nigrischen Administration zu eigen ist. Sowie einen gewissen Hang zu Vor-, Haupt- und Nachgenehmigungsverfahren, bei denen vielleicht auch mal eine kleine Zuwendung erwartet wird.

Die Beantragung des Telefons hatte ein gutes Jahr gedauert. Die Zollformalitäten für importierte Waren noch ein bisschen länger. Andere Bewilligungsanträge waren auf dem langen Weg durch die Institutionen einfach verschüttet gegangen. C’est comme ca; c’est la vie! So ist das halt, so ist das Leben“ würde ein Franzose sagen.

Als ich am Ende meiner Zeit als Entwicklungshelfer meine Papiere bei der offiziellen Aufbewahrungsstelle abhole, bin ich daher aufs Schlimmste vorbereitet. Ich habe mehrere Flaschen Wasser und Proviant für ein bis zwei Tage dabei. Mit Meditation und Affirmationen habe ich meinen Geist auf den anstehenden Behördengang eingeschwungen. Ein wenig Yoga hat für Flexibilität gesorgt, die vielleicht auch auf nicht-körperlichen Ebenen benötigt werden wird.

„Ich bräuchte meine Papiere zurück. Ich habe sie bei Ihnen vor 3 Jahren zur Aufbewahrung hierlassen müssen“, sage ich betont höflich, gebe Namen und Geburtsdatum an und schaue mich schonmal nach einer Sitzmöglichkeit für die anstehende lange Wartezeit um.

Der Angestellte verschwindet und kommt nach einer halben Minute zurück. „Et voilà, bon retour – hier sind sie; gute Rückreise.“, antwortet er und überreicht mir einen Umschlag.

Entgeistert schaue ich ihn an.

„Die Papiere sind alle da drinnen“, meint er und lächelt. „Schauen Sie nur nach!“

„Ja, sicherlich“, meine ich und ziehe die Dokumente aus dem Kuvert. Sie sind sauber. Und komplett. Tadellos, sozusagen. Es gibt nichts zu bemäkeln.

„Tja, …. dann … auf Wiedersehen!“, stottere ich.

„Gute Rückreise“, erwidert er noch einmal und wendet sich dann wieder seinen Unterlagen zu.

Kommentare

2 Antworten zu „Expect the unexpected – erwarte das Unerwartete“

  1. Yannick

    Hahah was eine unerwartete Wendung! Sehr schön ge- und beschrieben.

  2. Vielen Dank! Ich spüre den Moment, als ich plötzlich meiner eigenen Vorurteile beraubt war noch heute!

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