Das Meer ist ein Spieler

Inmitten der auslaufenden Wellen bewegt sich etwas. Das Ding wird von den anlaufenden Wogen nach vorne geschubst. Beim nächsten Rückläufer wird es wieder ins Meer hinausgezogen.

Meine Neugier ist geweckt. Ich ziehe Schuhe und Strümpfe aus. Die Hosenbeine kremple ich hoch. Wie ein Storch schreite ich über Steine. Auch mal über Müll – der Strand in diesem Abschnitt von Tunis ist nicht besonders hübsch. Nach ein paar Schritten habe ich das Ding erreicht und staune: Es ist ein Würfel. Gerade eben kullert er nach vorne: Es ist eine Drei. Dann wieder zurück. Für eine Weile sehe ich nur Schaumblasen und miteinander tanzende Wellen. Ich mache zwei weitere feuchte Schritte ins Meer und entdecke ihn wieder: Es ist eine Fünf.

Ich hebe ihn hoch und schaue ihn mir genauer an. Der Würfel wurde aus einem Stück Stein gefertigt. So ganz gleich sind die sechs Flächen nicht. Und auch die Kanten haben hier und da einen kleinen Riss. In die Oberfläche hat man mit der Bohrmaschine Löcher gebohrt. Beim Anmalen der Löcher mit weißer Farbe hat man es nicht so genau genommen. Hier und da ging der Pinsel ein bisschen über die Grenze des Bohrlochs hinaus. An anderen Stellen hätte es noch ein kleines bisschen mehr weiße Farbe gebraucht. Aber es geht: Das Ding rollt und man erkennt die Zahl der erzielten Punkte.

Ich setze den Würfel wieder zurück auf den Boden. Eine Welle kommt und packt ihn. Schaum und Wasserwirbel lassen ihn für eine Weile verschwinden. Dann läuft das Wasser wieder zurück und da liegt er vor mir. Es ist eine Sechs! Das Meer hat eine Sechs gewürfelt.

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