(Teil 3 der Erzählungen über den Besuch eines Agrarforschungsprojekts in Kakamega Forest, einem Regenwald im Westen Kenias).
Mit anhaltendem Gurgeln sendet mein Magen Warnsignale aus.
„Gibt es eine Imbissbude?“, frage ich Kovu, den Wächter.
„Hakuna! – Gibt es nicht!“, lautet die Antwort.
Einen Maisgrill? „Hakuna!“
Einen Kiosk? „Hakuna!“
Ich schweige – unterzuckert.
„Kuna mpishi hapa – es gibt hier einen Koch“, meint Kovu schließlich.
„Und was hat er zu essen?“, frage ich nach.
„Kitu – nichts“, sagt Mahdi mit einem Unschuldslächeln.
Nun saugt ein schwarzes Loch die letzten Reste meiner guten Laune auf. Der eben noch vor Leben strotzende Tropenwald verwandelt sich in eine boshafte Kreatur, die mich einlullt und in die Irre führt.
„Tunaweza kwenda sokoni – wir könnten zum Markt gehen“, schlägt Kovu überraschend vor.
„Twende zetu – let’s go!“, rufe ich, und schon hat mich der Regenwald wieder. Meine Schuhe quatschen bei jedem Schritt, während ich Kovu hinterhertrotte. Plötzlich bleibt er stehen.
„Hapo – da!“, sagt er und deutet nach oben. In einer Astgabel hat es sich eine Boa gemütlich gemacht. Wie eine riesige Taurolle liegt sie da, hebt in Zeitlupe den Kopf und züngelt in unsere Richtung. Ihre Augen spielen Schlange Ka.
In weitem Bogen gehen wir an ihr vorbei und erreichen wenig später die Siedlung. Tropennebel hängt über halb verfallenen Kolonialbauten, eingerahmt von Schutthaufen. Auf dem schlammigen Boden haben Marktfrauen Stroh ausgelegt; ihre Ware bieten sie auf Tüchern feil. Ausgemergelt sehen sie aus, ihre Kleider sind verschlissen. Mit müden Augen mustern sie mich.
Blattgemüse wandert in meinen Rucksack, dazu eine Handvoll Tomaten und Kartoffeln – mehr gibt es nicht. Zuletzt kollert noch ein hutzeliger Kohlkopf hinterher.
„You want real food? – Wollen Sie richtiges Essen?“, fragt ein Macho-Mann und hält mir in Packpapier gewickeltes Fleisch hin.
„Fresh! Bloody!“, meint er und streicht mit dem Zeigefinger über seine Kehle.
Ich zahle den überhöhten Preis und mache mich mit Kovu auf den Heimweg. In Tagträumen exerziere ich Variationen von Kohltomatenkartoffelgemüsefleischgerichten durch; das Wasser läuft mir im Mund zusammen, mein Magen bereitet sich auf einen ordentlichen Empfang vor.
Zwei Stunden später ruft der Koch mich zum Abendessen. Geduckt betrete ich die Hütte – ein Melkschemel und eine ausrangierte Obstkiste heißen mich willkommen. Die Kerosinlampe hat eine dicke Rußschicht auf den Lehmwänden hinterlassen.
Der Koch, ein freundlicher alter Herr, schöpft Eintopf auf meinen Plastikteller. Ich koste – und bin hingerissen. Die von mir willkürlich zusammengemischten Zutaten sind zu einem würzigen Stew mit tropischen Kräutern geworden.
„Good?“, fragt er.
„Excellent“, antworte ich und esse begeistert. Die rußigen Kerosin-Fabelwesen an der Wand schauen mir zu.
Zurück im Forsthaus lasse ich meine Zimmertür offen. Durch das Moskitonetz sehe ich Affen in den Bäumen; manche suchen auch in der Nacht noch nach Nahrung. Immer wieder ertönt der Schrei eines exotischen Vogels. Der Bach vor dem Forsthaus gluckert und wiegt mich in den Schlaf.
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