„Wha dis white man a do ya? – Was will dieser Weiße hier?”
Die junge Jamaikanerin starrt mich giftig an. Andere Jamaikaner in der Warteschlange unterstützen sie. Böse Worte fliegen. Meine Vorfreude auf das Reggaekonzert ist im freien Fall.
„Komm, wir gehen“, schlage ich Tiana vor. Tiana ist Jamaikanerin, wir sind seit ein paar Monaten zusammen. „No way – auf gar keinen Fall“, meint Tiana. Ihre Augen funkeln. In einer wilden Mischung aus Englisch und Patois macht sie ihren Landsleuten klar, dass Toleranz und Liebe auch für mich zu gelten haben. Basta. Murrend geben die anderen nach.
Die giftige Begrüßung hallt in mir nach. Die Vorbands bekomme ich kaum mit. Den Rasta mit den hüftlangen Locken, der beim Ziehen an einem Gong rückwärts taumelt und in einer Graswolke verschwindet, sehe ich wie in einem bösen Traum. Als Denis Brown sein berühmtes „Money in my pocket, but I just can’t get no love“ singt, erreicht er mich nicht.
Am nächsten Tag gehe ich mit Tiana in Kingston spazieren. Ein Taxi stoppt. Der grobschlächtige Fahrer steigt aus und wirft Tiana boshafte Bemerkungen zu. Ob sie denn keinen Jamaikaner finden könne. Ob ich denn irgendetwas hätte, was einem Landmann fehle. Geld vielleicht. Dann wird es gröber.
„Ausländer raus“, geht mir durch den Kopf, als wir halbwegs glimpflich aus der Situation herausgekommen sind. So fühlt sich das also als Betroffener an. Mein Rücken ist angespannt. Ich empfinde Blicke wie Stiche.
Anmerkung des Autors
Von 1996 bis 1999 war ich Teamleiter in Jamaika. Zunächst erstellte ich zusammen mit rund 10 jamaikanischen Kollegen und Kolleginnen eine Berufsbildungs-Sektoranalyse. In drei mächtigen Dokumenten wurde erfasst, welche Formen von Berufsqualifizierung es in dem Land bislang gab. Von vorschulischer, spielerischer Sensibilisierung bis hin zur Ausbildung zum Ingenieur.
Anschließend wurde ein zweibändiger Masterplan erstellt. Zahlreiche sogenannte „Geber“ beteiligten sich im Anschluss an der Ausgestaltung des Berufsbildungssystems. Es wurde zu einem Vorzeigesystem in der Karibik und an andere Länder weitergegeben.
Dank meiner damaligen Freundin Tiana kam ich an Plätze, an denen sonst keine Weißen sind. Ich lernte das Leben in den Vororten Kingstons kennen. Dort, wo meterhohe Lautsprecher mit Dancehall-Basslinien den Boden erzittern ließen. Es waren viele intensive und freundschaftliche Begegnungen dabei. Aber neben den Perlen gab es auch die Splitter. Sie gehen nur schwer aus der Haut.
(siehe auch „Crazy Lobster“ zu einem Erlebnis an Jamaikas lokalen Stränden).
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