All too hide, no one can find! – alles zu versteckt, niemand kann es finden.

„I am your taxman!“, ruft mir ein junger Mann entgegen und reckt den Zeigefinger in die Höhe. Auf seiner Anzugshose erzählen speckige Stellen von überhitzten Bügeleisen. Aus den geplatzten Nähten seines Hemds ragen lose Fäden wie winzige Antennen.

„Good taxi! Good drive“, ergänzt er und deutet auf einen alten Toyota, der schläfrig in der Morgensonne auf dem Besucherparkplatz des Hotels steht. Ich zögere. Doch sein flehender Bambi-Blick trifft mich mitten ins Herz.

„Alright!“, gebe ich schließlich nach. Ich zwänge mich in sein Gefährt und zeige ihm die Liste der Organisationen, die ich in Abuja besuchen soll. Er dreht den Zettel im Licht hin und her, als stünde eine geheimnisvolle Botschaft darauf. „Where you wanna go?“, fragt er dann.

Mein Fehler, denke ich. In Nigeria liegt die Analphabetenrate bei 60 Prozent – offenbar zählt mein Chauffeur dazu. Also schildere ich mein Anliegen in einfachen Worten: An meinem ersten Arbeitstag will ich nigerianische Industrieverbände aufsuchen, um vereinbarte Trainings-Termine zu bestätigen. Als erstes Ziel nenne ich die Importers Association of Nigeria.

Taxman nickt. Der Anlasser rattert, lange tut sich nichts, bis der Motor endlich widerwillig zum Leben erwacht. Wir rollen zur Hotelausfahrt. „Porters Association?“, fragt mein Fahrer den Kollegen am Straßenrand. „Importers Association!“, korrigiere ich. Ein Schwall nach Billigsprit stinkender Abgase weht herein; Ich kurble das Fenster hoch.

„Aha!“, meint Taxman strahlend, als er einen Hinweis zur Lage des Verbands erhält, und fährt los. Ich schaue aus dem Fenster und suche Afrika. Aber hier, in der künstlich hochgezogenen Retortenstadt, ist es nicht. Straßenhändler? Verboten. Bettler? Vertrieben. Stattdessen spiegeln sich die Schrammen des Toyotas in blitzblanken Glasfassaden. Ein Frösteln läuft mir über den Rücken.

„Agency is too hide – no one can find“, klagt mein Fahrer in seinem selbstgebastelten Englisch, nachdem wir eine Weile ergebnislos herumgeirrt sind. Ich zücke mein Handy, rufe beim Verband an – niemand nimmt ab. Um zehn Uhr morgens. Seltsam.

An der nächsten Kreuzung fragt Taxman einen Kollegen. Der schürzt die Lippen, starrt lange in den blauen Himmel. Unterdessen springt die Ampel auf Grün. Hinter uns Hupkonzerte, begleitet von derben Schimpftiraden. Mein Blutdruck steigt – so hatte ich mir den Start in Nigeria nicht vorgestellt.

„Could be close to Sheraton, ya know“, brüllt der Kollege schließlich. Taxman strahlt, reißt den Daumen hoch, tritt aufs Gas – und ignoriert dabei das Rotlicht. Eine Motorradstreife hat es jedoch bemerkt. Mit aufheulender Sirene rauscht sie heran.

Taxman sackt in sich zusammen. Nun sitzt ein Häufchen Elend auf dem Fahrersitz. Der Cop, eine Mischung aus Wrestler und Cowboy, steigt ab. „Driving licence! „ID card!“, donnert er. Sein Bauch wölbt sich über die Gürtelschnalle, die funkelnde Protz-Uhr spielt Rolex. Genüsslich zählt er die Delikte auf: unerlaubtes Halten, rote Ampel, Verkehrsbehinderung.

„Follow me to the station!“, bellt er, trommelt mit einem Falschgoldring drohend aufs Autodach. Taxman piepst jämmerlich um Gnade, beteuert, er kenne sich hier doch nicht aus. Ich könnte das bestätigen – tue es aber lieber nicht. Stattdessen sehe ich, wie er zwei zerknitterte Tausender in die Verhandlung einbringt. Rund zehn Euro. Doch der Cop will mehr.

„FOLLOW ME TO THE STATION!!!“, brüllt er erneut. Mir klingeln die Ohren. Genug. Showtime.

„Can I help you, Sir?“, sage ich mit meinem verbindlichsten Business-Lächeln und ziehe das offizielle Einladungsschreiben hervor. EU-Logos, Siegel, dicke Stempel – alles dabei. Der Cop stutzt. Seine kleine Nebenerwerbs-Show gerät ins Wanken.

„Leider gab es Probleme mit dem Dienstwagen“, improvisiere ich, „und ich habe dringende Termine.“ „Zip“ – meine Visitenkarte landet in seiner Hand. „Zip, Zip, Zip“ – weitere Karten hochrangiger Kontakte aus Ministerien und EU. „I have their private numbers. I can call them right away – Ich habe ihre Privatnummern. Gerne kann ich sie sofort anrufen!“ Mein Lächeln schärft sich zum Haifischgrinsen.

Der Cop blinzelt und lenkt ein. „It’s all right, Sir! “ Hastig drückt er mir das Einladungsschreiben zurück. „GO!“, brüllt er Taxman an. Der Motor röchelt, die Maschine springt an. Beim Aufsitzen brummt er mir noch ein „Have a nice day, Sir!“ durchs Fenster zu.

Ein Viertelstündchen später stehen wir endlich vor dem Tor der Importers Association. Es ist verschlossen. Ich klingele. Nichts. Erst beim dritten Mal meldet sich Taxman zu Wort:

„You cannot find anyone today. It’s public holiday – es ist Feiertag.“

„What?“, schreie ich. Spontan vom Präsidenten verfügt, erklärt er entschuldigend. Erst gestern Abend habe man davon erfahren. Ich könnte nun anmerken, dass das nicht erklärt, warum wir den ganzen Vormittag nach geschlossenen Büros gesucht haben. Aber ich spare mir die Mühe.

Zurück am Hotel zahle ich den vereinbarten Preis. Seine Bambi-Augen saugen mir noch ein kleines Extra ab. Ob ich wohl ein spätes Frühstück bekomme? Und diesen Tag einfach noch einmal anfangen kann?

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