Von ganz weit oben

Neun Stunden dauert der Flug von Frankfurt nach Nairobi. Die ersten Stunden habe ich mit der Vorbereitung des Einsatzes verbracht. Habe mir die 15 kenianischen Beratungsfirmen für Kleinunternehmen noch einmal genauer angeschaut. Mein Ordner hat sich mit Notizen gefüllt. Im Computer habe ich bereits Beratungskonzepte gesammelt, damit die Beratungsfirmen nachfrageorientiert auf die Wünsche der Kleinunternehmen eingehen können.

Nun brauche ich eine Pause.

Mein Blick wandert hinüber zu meinem Sitznachbarn. Auf seinem ultraleichten Hochleistungslaptop ploppt eine Landkarte nach der anderen auf. Je nach Tastendruck verändern sich die Farben von einzelnen Teilen der Karten. Mehrere Fenster schieben sich auf dem Bildschirm nebeneinander, einige stellen Diagramme dar, andere Tabellen.

„Sieht spannend aus!“, meine ich und deute in Richtung des Laptops.

„Ach, finden Sie?“, meint mein Sitznachbar.

„Schon. Sehr professionell. Was stellen die Karten dar, wenn ich fragen darf?“

„Dürfen Sie“, meint er. „Es sind Luftaufnahmen. Wir haben sie im Norden Kenias erstellt. Sie geben uns alle Informationen über Bodenbeschaffenheit, Vegetationsbedeckung, Wassergehalt und solche Sachen.“

„Wow!“, antworte ich. „Und für was ist das nützlich?“

„Für die Katasterämter. Die Landwirtschaft. Für Flächenplanung. Auch für Projekte.“

„Ach so, eigentlich logisch“, antworte ich. Der superprofessionelle Auftritt meines Nachbarn schüchtert mich etwas ein. Mit meinem recht voluminösen Laptop komme ich mir neben dem High-End-Gerät meines Nachbarn unterentwickelt vor.

„Und dann gehen sie in die Dörfer und sprechen mit den Bauern? Damit sie ihre Anbaumethoden verbessern können? Und leichter Wasser finden?“

„Nein“, antwortet mein Nachbar und schüttelt den Kopf. „Das ist zum Glück nicht nötig.“

„Zum Glück?“, frage ich erstaunt nach.

„Na ja“, meint er. „Gibt schönere Plätze, oder?“

„Wer spricht dann mit den Leuten?“, frage ich. „Es ist ja schließlich ihre Gegend. Es sind ihre Ressourcen.“

„Die Behörden, nehme ich an“, antwortet er. „Und Firmen, die dort investieren wollen. Genau weiß ich das nicht. Aber im Prinzip geben einem die Daten alle Informationen, die man braucht. Sie können in Nairobi ausgewertet werden. Oder sonst wo.“

„Und wissen Sie denn, was mit den Daten passiert? Was damit umgesetzt wird?“, hake ich nach.

Mein Nachbar räuspert sich und greift nach der Bordzeitschrift der Fluggesellschaft.

„Wir verkaufen die Daten. Was dann damit geschieht, ist nicht mein Ressort“, meint er, blättert in der Zeitschrift und rückt ein Stück von mir weg.

Ich schweige. Alles von oben. Wie soll das funktionieren? Auch Jahre später stelle ich mir noch diese Frage.

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